Erziehungsnotstand

Auch eine Art Kinderhandel: „Wenn du deine Jacke zumachst, bekommst du…“.
Und wenn ich nichts mehr zum Dealen habe – nichts mehr geben kann was König Kind gefällt? Erzieht etwa der kalte Wind das Kind? Das Bauchweh nach dem halben Glas Nutella?
Das Kind das permanent dich an die Grenzen treibt – was fehlt ihm denn? Es fehlen ihm die Grenzen. Die Klarheit, dass Gesagtes gilt, dass man nicht mit Gefühlen spielt.
Doch woher Grenzen nehmen, wenn ich mich selber an nichts halte? Nicht einmal an die Regeln, die ich selber gebe. Wenn ich nur aus dem Bauch nach meinen Augenblicksgefühlen lebe? Als großes Vorbild zeige ich: Recht ist was mir gefällt. Und wenn überhaupt wer regiert, dann ist es  das/mein Geld.

Gehorsam lehrt die Kinder das Erleben, das auch ich halte, was mir Vorgegeben. Ein Kind, dass sich auf nichts verlassen kann, das ist zuletzt verlassen, auch wenn es mehr als alles hat. Es fordert, klagt und fordert weiter – isst, frisst – und wird doch niemals satt. Denn in der Tiefe fühlt es sich verraten und verkauft.

 

4 Gedanken zu „Erziehungsnotstand“

  1. Sandra, dein zeugnis rührt mich an. schule der dankbarkeit? ja, das wärs. ich habe allerdings schüler, da verstehe ich aus tiefstem herzen, dass das, wofür sie dankbar sein könnten, noch aussteht. freilich, positiv denken und das glas halb voll sehen ist das eine, und wahrnehmen, dass es schicksale gibt, die ich freiwillig nicht auf mich nehmen wollen würde, ist das andere.

  2. das mit den grenzen kenne ich. sehr gut. meistens werden sie zu halbherzig gesetzt und wenn, dann – mangels kraft – ihre einhaltung nicht konsequent (oder liebevoll?) genug eingefordert. mangels kraft? also selber fehl am platz? ein afrikanisches sprichwort (sagt ein kollege, ich kann es nicht überprüfen) meint: „um ein kind zu erziehen braucht es ein ganzes dorf.“ das millionendorf, das von anonymität geradezu strotzt, ist hierfür wohl eher weniger geeignet. insofern ja, fehl am platz, wobei eher der platz fehlerhaft ist denn der platzhalter, der am platze aushält, weil es der ort zu sein scheint, der ihm zugedacht ist. ob der gedanke stimmt, lässt sich vielleicht überpfrüfen mittels der frage, ob unser herr und meister selber auf golgotha nicht fehl am platze war? Er, das haupt, auf der schädelstätte? aber ich schweife ab. und ab gebe ich auch das denken. mögen andere weiter denken.

  3. „Schule der Dankbarkeit“ – was für ein schönes Rezept. Vielleicht gelingt es ja immer wieder sie vorlebend weiterzugeben. Oft ins Wort zu heben, was gelungen ist.
    Manchmal hat mich die Frage beschäftigt, warum es im Paradies diesen einen Baum gab, von dem der Mensch nicht essen sollte. Hat Gott durch sein Verbot nicht selbst die Übertretung geschaffen? Oder die Freiheit IHM zu trauen und sich an etwas zu halten?
    Vielen Dank für Ihre Gedanken,
    Luise-Maria

  4. Ich bin mit einer Behinderung geboren. Habe von Anfang an meinen Körper als Begrenzung erlebt. Es erfüllte mich als Kind mit Dankbarkeit, rechtzeitig auf die Toilette gesetzt zu werden, oder einen Menschen zu finden, der ein Glas nicht zu voll eingoß, damit meine unruhige, sich ängstigende Hand nichts verschüttete. Welche Freiheit es schenkte, ohne Albträume zu schlafen und dass Schmerz- und Angstfreiheit Geschenke sind. Leise Töne erleichtert hören können und sich freuen, wenn man warmes Wasser über die Hände laufen lassen kann … Was es bedeutet in allen Lebensvollzügen abhängig zu sein .. Diese Nicht-Selbstverständlichkeit von Alltagsvollzügen haben erzogen.
    Was würden diese Kinder mit solchen Einschränkungen anfangen? Wäre es möglich, ihre Sensibilität mit der Konfrontation beispielsweise behinderter Kinder zu schulen? Welches Korrektiv wäre möglich? Eine Schule der Dankbarkeit wäre eine Wegweisung zu realer Lebensfülle – entgrenzte Maßlosigkeit wird sonst wohl immer quälender …

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