Gedanken zu Jesaja 42, 5

„So spricht Gott, der Herr,
der den Himmel erschaffen und ausgespannt hat,
der die Erde gemacht hat und alles,
was auf ihr wächst,
der den Menschen auf Erden den Atem verleiht
und allen, die auf ihr leben den Geist: „

Gott verleiht allen, die auf der Erde leben, den Geist.

Manchmal bin ich von einem kleinen Ausschnitt, der in einem großen Zusammenhang ganz beiläufig steht, neu angesprochen.

Die Geistgabe an alle, die auf der Erde leben, scheint mir eine Zusage, dass ER für jeden Menschen auf irgend eine Weise Begegnender ist. Denn er verleiht den Geist nicht nur denen, die ihn kennen, nicht nur jenen, die seine Gebote halten. Wer immer und wo auch immer jemand „das Licht der Welt“ erblickt ist schon etwas eingestiftet von dem, was wir  Gottesbegegnung nennen.
Vielleicht ist das oft verschüttet, auch in mir. Ich höre den Text als Zuspruch, dass ich in jeder Begegnung offen sein darf, hoffen darf, auf seine weitende Gegenwart.

zu Ostern 2015

1. Wichtelgeschichte – Wie Wichtel wurde

Wichtel haben es in sich. Aber was genau sie in sich haben, das wissen sie nicht. Sie werden nicht geboren, sondern gestrickt. Aus bunten Wollresten. Immer dann, wenn es gerade einen so kleinen Rest Wolle gibt, dass er noch für genau einen Wichtel reicht, entsteht ein ganz besonderer kleiner Wicht. Ein ganz einmaliger Wicht.DSC_5102
Vor gut 50 Jahren ist einmal einem Kindermädchen ein solches Wichtel gelungen. Es hatte öfter zwei kleine Mädchen zu hüten. Die Wollreste hatte sie dabei, so dass die Mädchen zuschauen konnten, wie er wurde. Der größte Wollrest war grünweiß – daraus wurde der Körper. Mit fünf Nadeln arbeitete das Kindermädchen. Und die beiden Mädchen dachten, dass sie sich neue Handschuhe machen wollte. Aber mit so wenig Wolle? Und was sollten dann die gelben Teile sein? Langsam wurden sie neugierig, aber das Kindermädchen verriet nichts. „Es wird eine Puppe.“ – „Nein, ein Zwerg.“ „Schau nur wie freundlich er schaut!“ Die Wolle hat nur für einen Wichtel gereicht. Und die beiden Mädchen beschlossen, dass er bei Andrea wohnen bleiben solle. Aber sie würden nur mit ihm spielen, wenn die zusammen waren.
Anna betrachtete den neuen Wichtel eine Weile und sagte: „Es ist eindeutig kein Bösewicht.“ „Nein, ich bin ein Liebwichtel“, dachte der neue Wichtel. „Aber was kann ich tun, dass die Beiden das merken? Ich bin ein wohlwollender Liebwichtel, ganz und gar aus Wolle, und ich weiß noch nicht, was in mir steckt.“

2. Wichtelgeschichte – Wichtel lernt das Spielzeugleben kennen

Für Wichtel begann das Leben, als das Kindermädchen ihm die gelbe Zipfelmütze fertig angenäht hatte. „Schaut, Kinder, er ist fertig.“ „Er kann ganz alleine stehen“, stellte Andrea fest. „Und wenn man pustet fällt er um“, kicherte Anna. Oder war das etwa Wichtel selbst, weil das Pusten am Bauch kitzelte? Jedenfalls schaute er gleichbleibend freundlich. Gerade lag er umgepustet auf dem Rücken. Da wurde zum Essen gerufen. Die beiden Mädchen verschwanden und es war still.

„Ich bin fertig. Und ich kann stehen und umgepustet werden. Manchmal sind da zwei Mädchen und eine Frau. Und dann bin ich wieder alleine.“ Ach, er war neugierig, was sein Wichtelleben noch mit sich bringen würde. Aber es gelang ihm nicht all zu lange neugierig zu sein. Er lag so gemütlich auf dem Rücken und suchte einen Namen für das Gefühl in seinem Bauch.

Da, schwups, flog er durch die Luft. „Fang auf Andrea, da fliegt ein Wichtel.“ Aber sie war zu langsam. „Das ist doch kein Ball! Armer kleiner Wicht. Bestimmt hat er sich etwas gebrochen. DSC_4902Komm, lass uns Krankenhaus spielen.“ Wichtel wurde untersucht. Und der Arm wurde mit einem Taschentuch eingegipst. Wichtel wurde ins Puppenbett gesteckt. Ganz ernst sah ihn Andrea an: „Du musst jetzt stillhalten und ganz viel Geduld haben.“

Geduld – das war das Wort nach dem Wichtel gesucht hatte. Spielzeuge brauchen Geduld.

3. Wichtelgeschichte – Wichtel hilft bei Langeweile

Geduldig lag Wichtel im Puppenbett. Nicht nur eine Woche. Zwei ganze Wochen kümmerte sich niemand um ihn. Es machte ihm nichts aus, denn er hatte gelernt, dass Geduld zum Spielzeugleben gehört. Draußen war es neblig. Ein trübes, ungemütliches Wetter. Andrea saß am Fenster und langweilte sich.  Bald würde Anna kommen. Da läutete es schon. Beide standen vor der Tür. Anna und das Kindermädchen. Andrea war froh nicht mehr alleine zu sein. „Mir ist langweilig“, sagte sie. „Mir auch“, stimmte Anna ein, „Mir ist sogar noch langweiliger.“ Das Kindermädchen schwieg, packte die Malsachen aus, und begann zu malen. Keines der Mädchen malte mit.

Ach, wie die Mädchen dem wohlwollenden Wichtel leid taten. Es musste ein ziemlich trübes Gefühl sein, sich zu langweilen. „Mir ist am allerlangweiligsten“, sagte Andrea in das Schweigen hinein. „Mir ist sogar noch langweiliger als am allerlangweiligsten“, seufzte das Kindermädchen. „Vielleicht ist Langeweile ansteckend?“

DSC_4904Da wurde es dem kleine Wichtel zuviel. Er ließ aus seinem Puppenbett ein lautes Nießen hören. „Das war der Wichtel“, staunte Anna. „Der Arme hat Schnupfen“. Andrea wunderte sich, dass sie ihn wirklich gehört hatten. „Wir müssen dringend untersuchen, wie es seinem Arm geht.“ „Und ich male ihm ein Bild. Dann komme ich ihn besuchen und schenke es ihm.“ Noch einmal nießte Wichtel laut, aber zufrieden.

Erstaunt schaute nun auch das Kindermädchen zum Puppenbett. Ein Wichtel aus Wolle, der Schnupfen hat. Was den Kindern so alles einfällt. Sie drehte die Heizung auf, damit sich niemand erkältete. Und bald war es warm und gemütlich. Und kein bißchen langweilig.

4. Wichtelgeschichte – Wichtel wird aufgeräumt

Es war ein langer Nachmittag. Und noch viele Spiele waren den Mädchen eingefallen. Sie hatten Wichtel verarztet, gemalt, die Puppen frisch angezogen, Nüsse geknackt. Und die Malsachen lagen auch noch herum. „Jetzt wird aber aufgeräumt“, sagte Mutter, als sie nach Hause kam. Aufräumen war nicht so beliebt. Wichtel hatte festgestellt, dass es darin bestand, Dinge an andere Plätze zu legen. Anna sammelte die Puppenkleider ein. Andrea sortierte die Stifte. „Da, das Taschentuch gehört in den Papierkorb.“ Dort also verschwand Wichtels Gips. Und die Nußschalen.

P1000831„Fertig“, verkündete Anna. Und Andreas Mutter war eigentlich zufrieden. Nur Wichtel lag noch genau in der Mitte des Zimmers. „Und das da?“ fragte sie. Sie kannte Wichtel noch nicht. „Den hat uns das Kindermädchen gestrickt.“ „Mit fünf Nadeln.“ „Und wo gehört er hin?“ wollte Andreas Mutter wissen. Ratlos schauten sich die Mädchen an. Er war keine Puppe, kein Stofftier, nichts zum Bauen. „Nirgends, er passt zu garnichts,“ meinte Andrea. „Weil er einmalig ist“, verteidigte das Kindermädchen den kleine Wicht.

Aufgeregt spitzte Wichtel die Ohren. War das nun gut oder schlecht einmalig zu sein?
Die Mutter hob Wichtel auf, schaute in sein freundliches Gesicht und sagte. Einmalig ist Andrea auch. Dann nahm sie ihn, und legte ihn in Andreas Bett.

Wichtel fühlte sich geehrt. Hätte die Mutter noch einmal hingeschaut, dann hätte sie gesehen, dass er noch mehr lächelte als sonst.

5. Wichtelgeschichte – Wichtel will wissen wie schlafen geht

Wichtel hatte schon bemerkt, dass Andrea jede Nacht in ihr Bett schlüpfte. Aber er hatte noch nicht ganz verstanden, was sie dort eigentlich tat. Nun lag er selber dort. Da würde er das schon mitbekommen.P1000832
Als es endlich dunkel wurde, schob Andrea ihn auf die Seite: „Vorsicht Wichtel, hier liege ich.“ Dann deckte sie sich zu und wartete auf ihre Mutter. Als sie kam, las sie eine Geschichte vor. Aber Wichtel hörte nicht richtig zu. Er wollte Wissen, wie schlafen geht. Endlich war das Licht aus. Andrea tastete nach Wichtel und legte ihn rechts neben ihren Kopf. So blies sie ihm bei jedem Atemzug in den Bart. Ab und zu drehte sie sich um. Trotzdem merkte Wichtel, dass sie noch nicht schlief. Vielleicht dachte sie noch an die Geschichte, die ihr die Mutter vorgelesen hatte?
Dann änderte sich der Atem. Und Wichtel spürte die Ruhe, die von Andrea ausging. Ach war das ein schönes Gefühl in der Nähe von so viel Ruhe zu sein. Vielleicht war ein schlafendes Mädchen so ähnlich wie ein Spielzeug, das selbst nichts tut und tun kann. Nur warten was geschieht?
Wichtel schlief nicht. Genau genommen konnte er seine Augen gar nicht schließen. Die ganze Nacht geschah garnichts. Aber Andrea schien sich auch nicht zu langweilen.
Morgens streckte sie sich in ihrem Bett, gähnte ausführlich, sah Wichtel neben sich und sagte: „Ich habe wunderschön geträumt. Ich habe geträumt, ich könnte fliegen.“ Wichtel staunte. Im Traum kann man im Liegen fliegen. Wie schade, dass er nicht schlafen konnte. Aber fliegen konnte er schon. Mit viel Schwung flog er aus dem Bett, als Andrea ihre Bettdecke schüttelte

6. Wichtelgeschichte – In Wichtel steckt Musik

Anna und Andrea fingen gemeinsam an Flöte zu lernen. Beide bekamen eine Blockflöte, einen Notenständer und ein Heft. Fast jede Woche lernten sie einen neuen Ton. Bald konnten sie kleine Lieder spielen. Wichtel gefiel es besonders gut, wenn sie gemeinsam spielten, eine die hohen, eine die tiefen Töne. Warm und gemütlich klang das. Aber Anna war nicht so eifrig im Üben. So blieb Andrea mit den zwei Stimmen alleine. Geduldig spielte sie sie nacheinander. Aber das schien ihm nicht ganz das Rechte zu sein. Als gerade die hohe Stimme wieder an der Reihe war, fühlte sich Wichtel plötzlich ganz voller Wohlwollen. Und plötzlich kamen die tiefen Töne aus seinem eigenen Bauch. Erschrocken schaute sich Andrea um: „Anna, bist du etwa unter dem Bett.“ Aber da war niemand. Auch nicht hinter der Tür. „Vielleicht bin ich ja so musikalisch, dass ich die zweite Stimme in meinem Kopf höre?“, dachte Andrea bei sich. Sie hörte gerne, wenn die Leute sie musikalisch nannten, wenn es um die Flöte ging. Singen war ihr eher fremd.
Voll Schwung blies sie weiter die erste Stimme. Und hörte die zweite auch. Dann spielte sie zarter, lauschte. Daher kam der Ton. Da aus dem Regal. P1000834Da wo Wichtel stand.

Der Ton kam aus seinem Bauch. Eindeutig.

Anna kam mit der Flöte. „Soll ich die zweite Stimme spielen?“ „Nein, hör mal, Wichtel kann das auch,“ verriet Andrea der Freundin. Aber der war ganz still. Dabei wollte er doch gerne weiter brummen. Aber Wohlwollen lässt sich nicht vorführen. Das mit der Musik ging nur, wenn er mit Andrea alleine war.

7. Wichtelgeschichte – Einen Namen haben

Eines Tages kam ein Mädchen mit einem kleinen Bären zu Andrea. Die Mädchen gingen in den Garten und ließen ihr Spielzeug im Zimmer liegen. „Woher kommst du?“, fragte Wichtel vorsichtig, denn er hatte mit Bären noch keine Erfahrung. „Israel“, brummte der Bär. Und weil er gerne ein bißchen angeben wollte: „Ich bin mit dem Flugzeug gekommen.“ Da fiel ihm ein, dass ein höflicher Bär sich erst einmal vorstellt. „Bibabär ist mein Name“, sagte er also.
Wichtel war weder von Israel noch vom Flugzeug beeindruckt. Aber er wollte wissen, was ein Name ist. „So ruft mich mein Mädchen – sonst weiß ich ja nicht mit welchem Bären sie redet,“ erklärte er.OLYMPUS DIGITAL CAMERA

Wichtel dachte eine Weile darüber nach. „Wie fühlt es sich denn an einen Namen zu haben?“ fragte es neugierig. Darüber hatte Bibabär noch nie nachgedacht. „Nun, man weiß dann wer man ist. Es fühlt sich gut an. Persönlich. Wichtig!“

Wichtel merkte, dass er auch gerne einen Namen haben würde. „Bibabär, woher hast du deinen Namen. Und warum weißt du, das es deiner ist?“ fragte Wichtel. Es fühlte sich gut an Bär mit seinem Namen anzureden. „Meinen Namen, den habe ich von Shavit, meinem Mädchen, bekommen. Zuerst war ich einfach irgend ein Bär. Und dann…“ Bibabär verstummte. „Was dann?“, wollte Wichtel wissen. Bibabär war ein bißchen verlegen. Aber dann verriet er das Geheimnis doch. „Als Shevit mich angeschaut und mit mir gespielt hat, hat sie mich lieb gehabt. Und dann hat sie mir den Namen einfach geschenkt.“ „Einfach geschenkt“, wiederholte Wichtel staunend. Und es schien ihm plötzlich als gäbe es nichts wichtigeres auf der Welt, als seinen Namen zu kennen.

„Vielleicht kann mein Mädchen ja dein Mädchen fragen, wie du heißt?“ schlug Bibabär vor. Und er hoffte sehr, dass Andrea ein Name einfiel. Notfalls konnte sein Mädchen ja helfen. Shavit fiel nämlich immer etwas ein.
„Oh, ja,“ jubelte Wichtel. Und war sehr aufgeregt, weil er schon bald einen Namen haben würde. Geschenkt. Einen ganz eigenen Namen.

8. Wichtelgeschichte – Wichtel weiß wer er ist

Andrea und Shavit kamen fröhlich ins Kinderzimmer zurück. „Hallo Bibabär“, rief Shavit. Da sah sie den kleinen Wollwichtel neben Bibabär liegen. Sie nahm ihn in die Hand und hielt ihn Andrea hin. „Wer ist das?“, fragte sie. „Das ist mein Wichtel. Den hat das Kindermädchen für mich gestrickt,“ erzählte Andrea. „Und wie heißt er?“ wollte Shavit wissen. Groß wurden da Wichtels Ohren. Denn gleich würde er seinen Namen erfahren. Er würde wissen, wer er ist. P1000819

Andrea hielt Wichtel ganz ruhig in der Hand, schaute ihm in die Augen und antwortete: „Wiwawichtel!“ Shavit fand, dass dieser Name sehr gut zu Bibabär passte. Und dass die beiden sich sicher mögen würden.

Wiwawichtel fühlte sich, kaum hatte er seinen Namen gehört, so lebendig, wie nocht nie. Er lächelte voller Freude, weil er sich nun all den anderen Spielzeugen vorstellen konnte.

Erst probierte er es mit: „Ich heiße Wiwawichtel.“ Aber dann fand er es noch schöner zu sagen: „Ich bin Wiwawichtel.“

„Danke Bibabär“, flüsterte er. „Hoffentlich ist Israel nicht so weit weg, dass ich dich bald einmal besuchen kann.“ Und nach einer Weile fügte er hinzu: „Ich bin bis jetzt nur im Zimmer herumgeflogen. Noch nie in einem Flugzeug.“