Enttäuschungen (7)

beistandsverweigerung

ich suche stand
bei dir,
aber du
verstehst nicht –
keiner verstünde den anderen
sagst du
mich versetzend

steh doch dazu,
dass du
neben mir
nicht sitzen magst

so versessen bin ich auch nicht
auf deinen beistand
ohne eigenstand

18. September 2014

Vor sich hin dümpeln

Das Segel der Vision abgetakelt.
Bedenkenträger ergreifen ein Ruder.
Rudern panisch.

Rettungsboote werden zum beliebten Schlafplatz.
Seebären ordnen im Schiffsbauch alte Karten.
Die Schiffskatze sucht vergeblich nach Ratten.

Das zweite Ruder liegt ungenutzt.

1. Dezember 2013

 Wir kennen die Stunde

Wir schlafen gut,
denn wir kennen die Stunde
zu der der Dieb kommt.

Die Alarmanlage ist
mit der Polizeistation vernetzt.
Und es  gibt bei uns nichts mehr zu holen,
seit uns die Naherwartung
abhanden kam.

zum 1. Advent 2013

Hier

Hier war es, war es einst,
dass ich Vertrauen fand.
Ich glaubte gar es sei
ein Zipfel vom gelobten Land.
Nun stapfe ich allein
bergwärts
im nassen Gras
trotzig im Sonntagsgewand.

Die Hütten, jene drei,
gebaut von Kinderhand,
die stehen da wie neu
Sehnsucht in Form gebannt,
nach einem Bleibeort.
Dem Ort, den ich dort fand.

Noch immer liegt der See,
das Haus, der Weg, der Hang,
es fehlt und ist mir weh
um euch
und um vertrauten Klang.

27. Juli 2014

Nach Jahr und Tag

Plötzlich Grüße –
Dein Sprung über dein Schweigen.

Mutig, die Worte über die Alpen zu werfen,
hinein in die unbekannte Stabiltas.

Weil ich aufgehört habe zu warten,
weil ich aufgehört habe zu hoffen,
sind sie mir ein ferner Klang,
wie aus einer anderen Zeit.

Vielleicht kommt einmal später,
wie ein Echo,  ein Gefühl bei mir an?

12. Februar 2014

 Übergang

Hinter mir die abgebrochenen Brücken,
die entbundenen, unfruchtbaren Bindungen.

Allein stehen, gehen, fallen.
Selbständig,
Einsam.

Nicht zurückschauen.
Dem alten nicht nachsinnen.
Immer wieder aufstehen.

Vor mir –
ich weiß es nicht –
begegnungsoffen
den Übergang aushalten.

20. Februar 2014

Tropfsteinhöhle

Herzkammer, Tropfsteinhöhle
ungeweinter Tränen,
wenn mich ein Zapfen sticht
in die Eingeweide,
erinnert der Schmerz an der Stelle,
wo einst die  Freudensprünge waren,
an das Verschwinden
meines Geliebten.
Bald knirscht mein Herz
beim Schlagen.

1. Juni 2015

Für möglich halten

Man sollte
weil nicht sein kann
was nicht sein darf
nicht für möglich halten
das menschenunmögliche
das zwischenmenschenunmögliche
was ständig
unanständig
geschieht

2. Juni 2014

Ist nicht

Im Vertrauten sein ist nicht im Vertrauen sein.
Wem, wen habe ich geglaubt? Bin ich getäuscht, enttäuscht?
War es ein Weg und ich bin weg, oder war es kein Weg?
Verheißung zeitigt Erfüllung oder Enttäuschung,
weil die ewige Naherwartung menschenunmöglich ist.
Die ersten Gemeinden mit dem Evangelium einmal fertig.

23. März 2016

Mit Anstand begegnen

Welche Pein muss es sein
dem vermeintlich dir Vertrauten
heute neu ins Angesicht zu schauen.
Waren wir doch nur Genossen,
in jenen Zeiten die verflossen,
als wir Deutungseins uns wähnten.

Nun liegt zwischen uns als Hürde –
Trägst du schwer an dieser Bürde?
Dass du meine Sicht nicht kennst
und mich nicht als Bruder wähnst.

Doch der ganz normale Gruß –
Wäre der ein Judaskuss?
Wer wäre denn dabei verraten?
Wer käme dadurch zu schaden?

Stimmt – wir könnten es nicht lassen.
Müssten uns mit „Einst“ befassen.
Selbst wenn wir nur Smalltalk trieben.
„Seht, wie sie einander lieben“,
ständ als Frage hinter allen Worten,
schreckt uns nun an ungewohnten Orten.

Ist halt schwer mit Abstand zu begegnen.
Ach, lass uns die Altgewordenen segnen.

 

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