Grüner Smoothie

Guter Rat ist heutzutage nicht mehr teuer. Der Ratgebermarkt boomt – nicht nur in Buchhandlungen, auch in Drogerien, Apotheken, Kiosken. Frau trifft die Entscheidung, welcher passt. Dann heißt es gehorchen, damit die vielen Heilsversprechungen sich auch erweisen können.

Die Städterin hat nach dem Grünen Smoothie gegriffen, orange und grün, der Umschlag attraktiv. Und lauter fröhliche Gesichter auf den Bildern. Unkompliziert, einfach – das klingt vielversprechend. Außerdem wird da Hilfe versprochen für die Tage vor den Tagen. Endlich ein Ratgeber, der sich der wahren Nöte annimmt.

Sie liest sich ein – Tabellen – nicht so wichtig – Zubereitungsart – alles pürieren – wirklich einfach – Zutatenliste – das scheint tatsächlich das Reich der unbegrenzen Möglichkeiten zu sein – Einkaufszettel schreiben und los geht es.
Erst die Profimaschine im Fachgeschäft. Wenn schon dann richtig. Es gibt gleich drei Modelle. Das bestätigt ihr im Trend zu liegen. Wohltuend. Andere, die ihre Erfahrung teilen. Der grüne Smoothie tut gut.

Genau genommen hat sie diese Erfahrung noch gar nicht. Es fehlen ja noch die Zutaten. Viktualienmarkt, Biostand. Dort macht sie gleich einen Rundumschlag. Was noch fehlt sind Rosenblätter, Lavendel, Giersch. Bei der Nachfrage nach letzterem hat der Verkäufer ihr einen etwas merkwürdigen Blick zugeworfen. Darum geht sie erst einmal ins Blumengeschäft. Dort kennt sie sich aus. „Rosenblätter bitte.“ Man reicht ihr eine Tüte mit ausgestanzten roten Textilherzen. Als sie bekundet natürliche Blätter zu brauchen – „Zum Streuen?“, fragt die Verkäuferin und geht in den hinteren Teil des Ladens Richtung Biotonne – „Nein, zum Trinken – kennen sie etwa den grünen Smoothie nicht?“ – „Ach so, da eignen sich am besten Coburgrosen“, sagt die Verkäuferin, da ihr davon heute die doppelte Menge geliefert worden war.

Noch ein Blick auf den Einkaufszettel. „Noch Lavendel“, bittet die Frau und setzt mutig hinzu: „Und Girsch, wenn sie ihn dahaben.“ „Giersch?“ Sie holt entschlossen den Ratgeber unter dem Biogemüse hervor. „Das Unkraut, das überall wächst?“, fragt die Verkäuferin nun wirklich erstaunt. Die Kundin, die sich nicht ernst genommen fühlt flieht in einen souveränen Abgang. „Bitte bestellen sie mir für nächsten Dienstag Samen – ich möchte ihn selber ziehen.“ Sie greift ihren Korb, vergisst Rosen und Lavendel. Ihr ist alles zuviel, der Korb, die Maschine, das Gemüse, die Stadt mit all den Menschen. Und der grüne Smoothie, der einfach nicht hält was er verspricht: Linderung in den Tagen vor den Tagen.

Ins Bett, Decke über die Ohren, das hat immer geholfen. Sie hört noch das Türschloss – wohl ihr Mann, der gerne essen würde. Als er Gemüse und Maschine sieht zieht er sich leise zurück. Da träumt sie schon von einem grünen Wundersaft für und gegen alles.

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